Erster Jahrestag der Atomkatastrophe in Japan - Augenzeuge Bio-Bauer Koichi Koike berichtet in Hamburg

Hamburg, 29.02.12 - Am 11. März Erster Jahrestag des Supergau: Augenzeugen berichten aus Fukushima

Koichi Koike, Bio-Bauer aus Fukushima und Akiko Yoshida, Umweltaktivistin aus Tokio, reisen zur Zeit durch Deutschland. Ihre erste Station war Hamburg, wo sie auf einer Pressekonferenz der Hamburger Grünen aus Sicht der unmittelbar Betroffenen schilderten, wie es ein Jahr nach der Umwelt- und Atomkatastrophe in und um Fukushima aussieht.


Die Felder von Bio Bauer Koichi Koike aus Fukushima sind kontamiert -
er hat seitdem kein Einkommen mehr
Foto: hfr

Seine Familie trieb vor Ort seit langem Landwirtschaft. Er entschied sich früh für Bioanbau. Sein Pech war, dass seine Felder nahe Fukushima lagen, wo die japanische Regierung gegen seinen Willen und ohne die Bevölkerung zu fragen ein AKW errichten ließ.

„Meine Familie und ich hatten von Anfang an die Befürchtung, dass es dort irgendwann zu einem Unfall kommen könnte und unsere Felder kontaminiert würden“, erzählt Öko-Bauer Koichi Koike. Der Supergau von Fukushima jährt sich am 11. März 2012. Viele haben schon wieder verdrängt, dass dies in einem Hochtechnologieland passierte, wenn auch aufgrund einer gewaltigen Naturkatastrophe.

"Wer will uns garantieren, daß bis 2022 nichts passiert?"
Wer sagt, dass so etwas nicht auch in Deutschland passieren kann, so unisono der Tenor aller Atomkraftgegner. „Immer noch sind neun AKW in Deutschland am Netz“, beschwört die Hamburger Grünen-Vorsitzende Katharina Fegebank. „Wer will uns garantieren, dass bis 2022 nichts passiert. Wir brauchen schnellstmöglich eine wirkliche Energiewende, schon allein deshalb, weil sonst der endgültige Atomausstieg wieder in Frage stehen könnte.“

Evakuierungsradius um Fukushima viel zu gering
Öko-Bauer Koike schilderte mit trauriger Miene den Zustand seines Hofes und seines Landes nach der Atomkatastrophe. Sein Ackerland sei so kontaminiert, dass selbst Erdabtragungen nichts mehr retten könnten. Und natürlich könne nichts, aber auch gar nichts mehr von den Erdfrüchten verkauft werden. Er hat kein Einkommen mehr. Der Hof diente auch der Selbstversorgung. Nun ist Bauer Koike - wie viele seiner Nachbarn - auf die Hilfe des Staates angewiesen. Und die fließt nur zögerlich. Bauer Koike und Akiko Yoshida von den Friends of Earth Japan kritisieren die japanische Regierung scharf für den viel zu kleinen Evakuierungsradius von lediglich 20 km rund um Fukushima und die viel zu hoch angesetzten radioaktiven Grenzwerte selbst für Kinder. Davon hängt ab, wer auf Staatskosten evakuiert wird und wer nicht. Tatsache ist offensichtlich, dass viele Familien auf eigene Faust und Kosten die Evakuierung der Ihren aus der Gefahrenzone organisieren müssen. Die Lage rund um Fukushima ist nach wie vor dramatisch


"Wir zittern vor der unsichtbaren Gefahr!"
Inzwischen sind 52 der 54 Reaktoren in Japan abgeschaltet. Sie werden einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen, deren Kriterien die Atomkraftgegner für zu gering halten. Die kommunale und regionale Ebene in Japan wehrt sich inzwischen mit aller Kraft gegen ein Wiederhochfahren der Reaktoren, worauf die Atomlobby und die Großindustrie in Japan jetzt drängen. Derweilen kommt es immer wieder zu radioaktiven Niederschlägen, selbst in Tokio, wie Akiko Yoshida schildert. Sie selbst lebt in Tokio und weiß wie sehr Frauen mit Kindern vor der unsichtbaren Gefahr zittern.

Breites Bündnis ruft für den 11. März zur Umzingelung des AKW Brokdorf auf
Katharina Fegebank sieht hoffnungsvoll auf die langsam erwachende Anti-AKW-Bewegung in Japan. Der Atomausstieg in Deutschland und die damit verbundene Energiewende könnten aus ihrer Sicht auch Perspektive für die schwer betroffene Bevölkerung in Japan bieten. „Aber“, so fügt sie hinzu, “die Energiewende in Deutschland und Hamburg ist kein Selbstläufer, Schwarz-Gelb in Berlin wie auch die SPD in Hamburg lassen den Willen vermissen, die Dinge mit Nachdruck voranzutreiben. Wir Grünen – übrigens in ganz Deutschland - unterstützen deshalb die Aktivitäten zum Fukushima-Jahrestag am 11. März.“ Für Hamburg und den Norden konzentriert sich das auf Brokdorf. Dort soll das AKW umzingelt werden, das von der Größenordnung dem Fukushima-Typ entspricht und erst 2022 als letzter der restlichen neun Meiler in Deutschland abgeschaltet werden soll. Das Anti-Atom-Bündnis Unterelbe organisiert Busse nach Brokdorf und die Umzingelung. Ausgerollt werden soll das größte Ant-Atomkraft-Banner der Welt mit schätzungsweise 2 km Länge.

Jeder Tag AKW-Betrieb kann ein Tag zu viel sein!
Dieses Bündnis, dem neben den Grünen und Campus grün vor allem ausgestrahlt, Robin Wood, Greenpeace, NABU und Teile der Gewerkschaften angehören, hat sich die frühere Abschaltung von Brokdorf zum Ziel gesetzt. 100 km Radius Evakuierung wären in Fukushima das Mindeste gewesen, sagen die Atomkraftgegner, nicht 20 km. Bei einer Katastrophe in Brokdorf vom Ausmaß Fukushimas müsste nicht nur ganz Hamburg evakuiert werden, sondern auch Bremen, Kiel und Lübeck. Große Teile Norddeutschland wären verstrahlt. „Jeder Tag AKW-Betrieb kann ein Tag zu viel sein“, schreibt das Bündnis der Atomkraftgegner in ihrem Aufruf zu Brokdorf-Aktion am 11. März.





50.000 Menschen forderten im März 2011 auf dem
Hamburger Rathausmarkt die sofortige
Abschaltung aller AKWs
Fotos: Walter Domscheit

Bündnis 90/Die Grünen wollen raschen Ausbau der neuen Energieträger
Nach Meinung der Grünen zeigen die erneuerbaren Energien trotz aller Unkenrufe aus der alten Energiewirtschaft, von CDU und FDP schon heute, dass sie Atomkraft zuverlässig und preisgünstig ablösen können. Aber erst ist die halbe Strecke zurückgelegt. Bündnis 90/Die Grünen wollen einen raschen Ausbau der neuen Energieträger und der dafür erforderlichen Netze. Die Grünen in Schleswig-Holstein haben in ihrem Wahlkampf erklärt, dass es Ziel dieses Bundeslandes werden muss, in ein paar Jahren zum Windenergie-Exporteur zu werden. Die Grünen in Schleswig-Holstein und Hamburg planen eine engere Zusammenarbeit um dieses Ziel zu verwirklichen und Hamburg künftig mit günstigem Strom aus Windenergie zu versorgen.

Kritisch sehen die Grünen die Energiepolitik der Bundesregierung und des Hamburger Senats. Sie halten die Kürzung der Solarförderung für übereilt und überzogen. Für Hamburg fordern sie die völlige Rückführung der Energienetze in die öffentliche Hand. Das wäre sinnvoller gewesen als der millionenschwere Einstieg der öffentlichen Hand in eine Container-Reederei, kritisieren sie den Hamburger SPD-Senat und Olaf Scholz.

Koichi Koike und Akiko Yoshida sind nach ihrem Hamburg-Aufenthalt weitergereist nach Kiel. Ihr nächstes Ziel ist Erfurt, danach Neuß und abschließend Stuttgart. Die beiden befinden sich auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung und des BUND in Deutschland.

(Quelle: Bündnis 90/Die Grünen GAL Hamburg, Horst Weise, Pressesprecher)

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