Bogomil kopiert Monet und gibt Einblick in das Seelenleben von Blättern - Siek im Kunstrausch

Siek, 19.06.11 - Der Dauerregen machte die Sieker Kunstmeile zu einem Parcour für Kenner und Geniesser unter den Kunstfreunden. Draussen rauschte es vom Himmel - drinnen gabs Zeit zum Staunen und Geniessen. Den ganzen Sonntag lang.

Das erst in diesem Jahr gegründete Kultur- und Kunstforum "Sieker Kreis" bot in vier Locations Künstlerinnen und Künstlern aus dem Ort und Umgebung Gelegenheit zur Präsentation ihrer Werke. Und das kam bei Alt und Jung an!


Eröffnung in der Pastoratsscheune: (v.l.) Uwe Kahle,
Vorsitzender Sieker Kreis, Petra Maria Dreessen,
die "Landstreicherin" Gesang zur Gitarre und Klezmer-Klänge
auf der Fiedl, Jürgen A. Koch "Bogomil", Kunstmaler
Foto: Walter Domscheit

Im Kinderatelier "Klecks" unter Leitung von Meike Schacht wurde in den ausgestellten Arbeiten jugendliche Schaffensfreude und Gestaltungswille sichtbar. Kinder aller Altersgruppen erfahren in den Malkursen Kreativität, Spontaneität und handwerkliches Können in unterschiedlichsten Kategorien und mit verschiedensten Werkstoffen. Die Kinder führten stolz ihre Eltern, Freundinnen und Freunde durch die Aussellung. Die mittendrin platzierte Fruchtgummi-Dose fand da kaum Beachtung.



Arbeit von Nils, 8 Jahre, aus dem Kinderatelier "Klecks"

Bei Kaffee und Kuche satt konnte es sich derweilen "die ältere Generation" im "Haus der Vereine" gemütlich machen und die Eindrücke aus den zahreichen Werken der Malgruppe Siek verarbeiten. Parallel zeigte Ingeborg Kruse von Perfall einen Querschnitt ihrer Arbeiten von Aquarell bis Surrealismus. Die "Landstreicherin" Petra Maria Dreessen bot mit ihren Liedern zur Gitarre und Fiedl die passende Unterhaltung.

Nicht leicht bei dem "Schietwetter" hatte es Bettina zur Nedden in ihrem Garten. Hier gehen Natur und Kunst eine Symbiose ein. Der Besucher konnte sich neben der Artenvielfalt der Bäume, Blumen und Sträucher auch an dem Anblick der Skulpturen von Joop van Onna und Niels Westerweck-Schlappkohl erfreuen. Auch die Naturobjekte von Karin Kück fanden in diesem Ambiente einen angemessenen Rahmen.

In der zum Atelier umfunktionierten "Pastoratsscheune" konnte man dem Kunstmaler Jürgen Koch "Bogomil" über die Schulter schauen. Der vielseitige Künstler begann mit den Arbeiten zur Kopie eines Gemäldes des französischen Impressionisten Claude Monet (Frau mit Sonnenschirm/Femme à l'ombrelle tournée vers la gauche). Das fertige Bild wird zu einem späteren Termin bei einer umfangreichen „BOGOMIL Werkschau“ im „Haus der Vereine“ für einen guten Zweck versteigert.

Darüberhinaus gab er einen Einblick in sein breites künstlerisches Schaffen, zeigte Werke seines Zyklus "Blättern in die Seele geschaut". Mit diesen Arbeiten war er bereits im letzten Herbst drei Monate im "Loki-Schmidt-Haus" in Hamburg Klein-Flottbek.


Fächerahorn (Acer palmatum "Blood good")
Mischtechnik: Öl auf Leinwand - Sommer 08 -
Format 90x90cm Blattausschnitt 2x2mm,
450-fache Vergrößerung

Foto: hfr/Jürgen Koch Bogomil


Herr Koch, was malen Sie dort gerade?
Ich male gerade eine Monet Kopie, das Motiv "Freilicht-Studie nach Links gewandte Frau", so ist das Bild betitelt worden

Wenn Sie denn nicht ihre Bilder verkaufen würden, welches von den von Ihnen bisher von Ihnen gemalten würden Sie dann gern selbst für sich behalten?
Da gibt es zwei Bilder, speziell, das ist einmal die "Japanische Brücke" in einem Hochformat und das zum anderen ein Sonnenblumenbild, ein großes Sonnenblumenbild von Monet, das wird oftmals verwechselt ("Oh, dann haben Sie ja auch einen Van Gogh gemalt? Nein Monet hat auch Sonnenblumen gemalt!")

Wo haben Sie bisher ausgestellt?
Ich habe in sehr vielen Städten Deutschlands ausgestellt, natürlich, was naheliegt, auch in Hamburg. Ich habe in Berlin ausgestellt, an der Technischen Universität. Das war bei einer großen Benefiz-Veranstaltung mit über Hundert Künstlern und verschiedenen anderen Städten Deutschlands, wie Overath, ich hab in Hennef ausgestellt, in Ahlfeld hinter Hannover, im Ahrensburger Schloss, Hotel Vierjahreszeiten in Travemünde, sowie Schloss Bedburg. Dann einmal in der Steiermark in Österreich und bereits auch in Barcelona.

Setzen Sie sich bei ihren Arbeiten mit dem Künstler auseinander?
Mit dem Künstler weniger, sondern mit dem, was er geschaffen hat. Weil mich die Malerei als solches interessiert. Wenn ich denn auch kein großer Impressionist oder Expressionist werde, so hat mich doch die Malerei interessiert und insofern habe ich diese Bilder auch einmal kopiert, um festzustellen, was steckt hinter der Malerei.

Sie entwickeln ja auch eigenes kreatives Schaffen, unter anderem einem großen Zyklus lassen Sie Blätter aus ihrer Seele sprechen. Wie kamen Sie auf die Idee?
Auf die Idee bin ich gekommen 2007, als ich an der TU Berlin mit über Hundert Künstlern ausgestellt habe. Da stand ein Mikroskop, damit konnte man sich Steine ansehen und das gefiel mir sehr. Als ich draußen im Universitätsgarten mit meiner Frau spazieren ging, es war gerade Herbst und wir haben Herbstlaub gesammelt. Die habe ich dann unter das Mikroskop gehalten und konnte sie mir auf einem Bildschirm betrachten. Dabei taten sich mir Farben und Strukturen auf, was ich nicht für möglich gehalten hatte. Das wäre doch mal interessant, auf die Leinwand zu bringen! Um das dann aber natürlicher darzustellen, habe ich es als Relief erarbeitet. Das sind alles Ausschnitte in der Natur von zwei mal drei Millimetern, die ich zum Teil bis fünfhundertfach vergrößert habe.

Welche Gedanken kamen ihnen, als Sie diese extremen Vergrößerungen gesehen haben und Sie den Enschluß fassten, das umzusetzen?
Das sind alles Dinge, die man mit dem bloßen Auge ja gar nicht sieht, man achtlos dran vorüber geht. Wenn man durch Laub wandert und es mit den Füssen tritt. Was für eine Schönheit sich dahinter verbirgt. Vor allem im Laub, das die Herbstfärbung zeigt, sich teilweise schon die Fäulnis bildet und das in vergrößerter Form darzustellen, den Leuten mal zu zeigen, was sich dahinter verbirgt.

Was denken Sie , was sagt so eine Vergrößerung aus?
Daß die Natur viel mehr zu bieten hat, als das menschliche Auge oftmals wahrnehmen kann, so ein paar kleine Geheimnisse zu lüften, die man mit dem Auge gar nicht sehen kann. Nicht jeder hat die Möglichkeit, durch ein Mikroskop zu schauen.

Welche Art von Blättern haben sie unter das Mikroskop gelegt?
In erster Linie Herbstlaub, von Laubbäumen. Ahorn, Birke, Eiche. Das ist hier zum Beispiel eine Zaubernuß, dann Haselnuß, Mahonie. Mahonie ist an sich ein Laub, weil es ja ein immer grüner Stauch ist, haben sie doch oftmals Verfärbungen, die sehen ja schon so phantastisch aus. Aber wenn man sich die Ausschnitte auch noch unter dem Mikroskop betrachtet, das sind wahnsinnige Farben, die da zum Vorschein kommen!

Wieviel Zeit nehmen Sie sich für ein Bild?
Das kommt jetzt ganz auf das Motiv an. Ich habe Bilder, daran habe ich 100 bis 150 Stunden gearbeitet und es gibt aber auch Bilder, daran habe ich 20 oder 40 Stunden gearbeitet, je nach dem, was das für Strukturen sind, was für Farbverläufe oder Farbvariationen vorhanden sind.

Interpretieren Sie eigene Farben hinein oder bleiben Sie exakt beim Original?
Nein, ich interpretiere keine eigene Farben hinein. Das einzige, was ich mache, daß ich mit verschiedenen Beleuchtungsarten beim Mikroskopieren arbeite. Ich arbeite mit einem Unterlicht und somit scheint das Licht durch das Blatt und es verändern sich die Farben, die Strukturen. Die kriegen ofmals so ein Feuer, daß man denkt, man hat Lavaströme vor sich, so phantastisch sieht das aus! Insofern ist das durch Lichteffekte eine leichte Manipulation, aber ich verwende keine zusätzlichen Farben. Alles, was durch Licht entsteht, das verwende ich, aber ich ich nehme keine zusätzlichen Farben. Ich nehme auch ein Oberllicht, ein Warmlicht, mische es auch teilweise mit einem Kaltlicht und durch dieses Kaltlicht kriege ich dann leichte bläuliche Töne. Das macht das Bild zum Malen dann für mich interessant. Das sehen Sie auch an diesem Bild hier, daß dort leichte, bläuliche Töne zum Vorschein kommen. Das entsteht durch dieses Kaltlicht, was ich verwende.

Wenn Sie sich dann bis zu 150 Stunden mit einem Bild befassen und sich so in den Mikrokosmos begeben, wennn Sie denn so unterweg sind in der Natur, entdecken Sie da einiges wieder und fühlen Sie sich damit verbunden? Was haben Sie für Empfindungen, wenn Sie draußen an einem Baum vorbeigehen und das Blatt sehen, mit dem Sie sich grade 150 Stunden beschäftigt haben?
(Lacht) Oftmals ist das so, daß es, seit ich mich mit dieser Malererei beschäftige und befasse, daß ich die Bäume und das Laub dieser Bäume mit einem ganz anderen Auge betrachte. Das ist schon manchmal gefährlich beim Autofahren im Herbst, da ich dann rechts und links gucke. Da gabs schon kritische Momente, daß ich mir sagte, Halt, Stopp, steig lieber aus, guck dir das an und gehe zu Fuss.

Welche Boschaft können sie ableiten aus ihren Erfahrungn mit der Natur, ihren künstlerischen und technischen Auseinandersetzungen mit der Natur und hier jetzt speziell mit dem Blatt?
Die Menschen sollten ein bisschen mehr mit offenen Augen durch die Natur gehen und sich das mal ein bisschen genauer anschauen. Das hektische Leben, was sie sonst im Alltag haben, können sie dabei vergessen. Denn die Natur bietet doch sehr viel schönere Sachen!

Blätter bringen auch Geräusche?
Blätter bringen auch Geräusche, ja. Vor allem, wenn man durch den Laubwald geht oder irgendwo, wo viel Laub liegt. Das Rascheln mit den Füssen. Man sieht dann doch sehr viel schöne Dinge
Die Botschaft ist: Der Mensch braucht die Natur aber die Natur braucht nicht den Menschen!

Blätter sind beeindruckend schön mit einem Regentropfen. Das kriegen Sie am Mikroskop ja gar nicht so mit?
Das ist es ja auch nicht, was ich darstellen wollte. Ich wollte eigentlich die Blattstrukturen und ihre Färbungen darstellen. Das mit den Regentropfen, das ist eine andere Geschichte. Aber das habe ich auch schon gemacht und das ist irgendwo bei mir im Hinterkopf drin.

Sie benennen diese Serie ja auch mit einem Untertitel?
Der Titel ist "Blättern in die Seele geschaut", obwohl das ja nicht Hundert Prozent richtig ist. Man betrachtet ja die Oberfläche. Wenn ich in die Seele schauen würde, müßte ich ins Blattinnere hinein gehen. Das ist aber nicht mein Bestreben, dann müsste ich ja die ganze Zellstruktur auseinanderreissen. Ich will die optische Schönheit des Blattes darstellen aus dem Mikrokosmos.

Was sind ihre nächsten Projekte und Ideen?
Meine nächsten Arbeiten sind auch Laub. Da befasse ich mich aber nicht mit dem Mikrokosmos, sondern da male ich Blätter, aber gebe den Blättern teilweise eine andere Form, indem ich sie verzerre. Ich verzerren sie und löse sie in ihren Farben auf und mache dann eigene Strukturen und Hintergrundmotive, aber aus den blatteigenen Farbem. Ich mische keine anderen Farben hinzu. Und da ist ein Beispiel: Da sieht man in den Kreisen jetzt Blattstrukturen, auch mit Blatträndern und wie sich die Blätter langsam in diese einzelnen Farben auflösen. Und daraus sind dann die ganzen Hintergrundmotive entstanden. Mit Linien und Verformungen und das sind meine Motive. Davon habe ich jetzt schon zu Hause annähernd hundert Entwürfe, aber fünf Bilder dieser Art sind jetzt erst fertig. 2012 oder 2013 werde ich die erste Ausstellung mit ihnen haben. Also mindestens zwanzig Bilder muß ich fertig haben, um damit eine Ausstellung zu machen. Denn es ist eine wahnsinnige Arbeit, allein diese Linien parallel zu setzen. Die sind ja auch Freihand gemalt, allerdings mit Malstock.

Was ist ihre Lieblingsfarbe?
Ach, ich habe eigentlich keine Lieblingsfarbe. Früher, als Kind, hatte ich mal die Lieblingsfarbe Rot. Das hat sich nachher dann alles so ein bißchen gewandelt. Jetzt ist es mittlerweile auch Blau und Grün. Das kommt immer ganz aufs Motiv an. Aber eine richtige Lieblingsfarbe habe ich eigentlich gar nicht mehr.

Welche Bilder sind ihnen absolut nicht gelungen und sie sagen, nein, die würde ich auch nie wiederholen?
Es ist immer mal was dabei, was einem nicht gelingt. Wem gelingt schon alles? Ich glaube, derjenige, der das behauptet, der lügt. Ich haben auch des öfteren schon mal was in die Tonne getreten und auch mal wieder was kaputt gemacht. Rettete wenigstens den Keilrahmen, alles andere weg! Das kommt alles mal vor. Dann fang ich eben noch mal von vorne an. Es ist mal passiert, da wollte ich ein Bild malen, das sollten eigentlich Lilien werden und das ist mir dann total in die Hose gegangen und dann ist da plötzlich ein ganz modernes Bild draus geworden. Aber wirklich, ein ganz modernes Bild. Und das habe ich dann genannt "getarnte Vögel" und so war das denn nachher auch. Das habe ich bei einer Ausstellung in Hamburg als erstes verkauft! (Lacht)

Vielen Dank, auch für Ihre Geduld!

Das Gespräch führte Walter Domscheit

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